Wandern ist die beste Medizin

Psychiater Prof. Reinhard Haller gibt Einblicke über positive Auswirkungen von Almen auf die psychische Gesundheit ihrer Besucher:innen.

Wandern in der freien Natur hat positive Effekte auf die körperliche Gesundheit. Das ist nicht weiter überraschend. Sportliche Betätigung in der Natur steigert die allgemeine Leistung, unterstützt den Stoffwechsel, fördert das Immun- und Hormonsystem, beugt Osteoporose und Hauterschlaffung vor, regt die Blutbildung an und kann unter anderem auch den Schlaf verbessern.

Die positiven Auswirkungen von Wandern auf die Psyche der Menschen sind allerdings noch zu wenig bekannt. In der Psychogeographie – die den Einfluss der Landschaft auf das Gemüt von Personen untersuchen – wurde nachgewiesen, dass Naturlandschaften das seelische Wohlbefinden stark beeinflussen.

Durch Wandern werden hirnbiologische Effekte aktiviert, die besonders das zentrale Belohnungssystem betreffen. Infolge der Daueranstrengung wird der Botenstoff Dopamin freigesetzt. Dadurch werden ähnliche Gehirnstromaktivitäten ausgelöst wie bei Hypnose, autogenem Training oder Meditationstechniken.

Wandern erfüllt einige wesentliche Ziele der Psychotherapie, wie:

• Bindung an die Natur
• Orientierung in der äußeren und inneren Landschaft, weil es erdet
• Kontrolle durch Durchalten, Training und Disziplin
• Lustgewinn z.B. Jogger-High, das auch beim Wandern vorkommt
• Unlustvermeidung gegen innere Leere, Angstzustände und Depressionen
• Selbstwerterhöhung und Stabilisierung Selbstwertstärkung durch erbrachte Leistungen
• Autonomie, indem man den Weg, das Tempo, das Ziel und die Zeit selbst bestimmt

Beim Wandern werden verschiedene Formen von Psychotherapien miteinander verbunden. Dadurch fällt es leichter, sich von Alltagsproblemen zu distanzieren und somit Sorgen zu relativieren.

Außerdem ist das Wandern ein natürliches Hilfsmittel gegen Depressionen. Wie bei jedem Ausdauersport kommt es zur erhöhten Bildung der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin, welche besonders bei depressiven Menschen zu gering ausgeprägt sind. Ebenso natürliche Endorphine, also klassische Glückshormone werden dadurch ausgelöst.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass 3 Wandereinheiten pro Woche bei depressiven Patienten eine ähnliche Wirkung wie hochpotente Psychopharmaka besitzen. Zudem ist Wandern eine der effektivsten Präventivmaßnahmen gegen das Burn-out-Syndrom.

Interessanterweise hat das Wandern auch positive Auswirkungen auf unsere Kreativität. Die Auseinandersetzung mit neuen Landschaften gepaart mit freiem Atmen regt nicht nur die Phantasie an, sondern eröffnet ebenfalls unbekannte Gefühlsdimensionen.

Hier gibt’s die Sendung zum Nachhören: https://vorarlberg.orf.at/v2/radio/stories/2779646/